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Glauben

Gott nimmt uns wahr

Zur Jahreslosung 2023

Du bist ein Gott, der mich sieht.
Genesis 16,13

Angesehen, ernst genommen, überhaupt wahrgenommen werden, will das nicht jeder Mensch? Natürlich war die Maskenpflicht während der Coronapandemie ein Muss zum Schutz für sich selbst und Andere. Doch wie erleichtert waren wir auch, als wir uns im Zuge der Lockerungen wieder ins Gesicht blicken konnten, es uns warm ums Herz wurde, wenn wir nach langer Zeit wieder ein Lächeln wahrnehmen konnten, so von Angesicht zu Angesicht.

Unsere Bibel und auch unser eigenes Leben heute ist voll von solchen Geschichten, in denen es darum geht, dass unsere Seele davon lebt, angesprochen, gesehen zu werden, Mensch sein zu dürfen unter Mitmenschen, die es auch bemerken, dass wir da sind.

Ein solcher Mensch ist z. B. Maria, die Mutter Jesu. Von ihr heißt es: „Meine Seele erhebt den Herrn, denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen“. In der Jahreslosung im 1. Mose 16,13 geht es um eine andere große Mutter der Religionsgeschichte, nämlich um Hagar, die Mutter Ismaels, auf den sich die Muslime zurückführen. Sie hat erfahren, wie es sich anfühlt, entehrt, entrechtet, auf der Flucht zu sein. Eine Frau, schutzlos ausgeliefert, verzweifelt, hoffnungslos, am Ende.

Unzählig die Menschen, deren Namen und Gesichter wir nicht kennen, die Kindersoldaten in Afrika, die Opfer des Ukrainekrieges, die Flüchtlinge dieser Welt: auch sie entehrt, entrechtet, getötet, namenlos im Nirgendwo begraben.

Auch hier bei uns in Deutschland gibt es sie: Kinder, die leiden, weil sie weder zu Hause, noch in der Schule wahrgenommen werden. Menschen, die vor Scham ihr Gesicht verbergen, wenn sie sich einreihen müssen, um Lebensmittel von sozialen Organisationen entgegenzunehmen, weil das Einkommen nicht ausreicht. Einsame Menschen, deren körperliche Schwäche es nicht zulässt, unter Menschen zu gehen und die vergeblich darauf warten, dass jemand kommt, um ihnen ins Gesicht zu blicken.

Hagar, die ägyptische Magd, sie kann es nachempfinden, welch eine Kraft daraus erwachsen kann, das eigene Leid tragen zu können, wenn es überhaupt einmal wahrgenommen wird. „Du bist ein Gott, der mich sieht“, so sagt sie es und gibt Gott damit einen Namen. Einen Namen, der Hoffnung macht, damals ihr und heute uns. Denn Hagars Geschichte ist auch die Geschichte der Menschen unserer Tage, so wie sie auch die Hoffnung der Menschen unserer Tage ist.

Wir alle können gewiss sein, dass unsere Angst und Sorge, unsere Not und Verzweiflung nicht in blinder Hoffnungslosigkeit versinkt. Gott sieht auch uns an, die Menschen unserer Tage und leidet mit denen, die leiden. Gott tröstet. Damals die Hagar und heute uns, indem er das Leiden trägt, erträgt, mitträgt.

Das ist der Trost, dass wir wissen können, wir sind von Gott begleitet. Das bedeutet zwar nicht das Ende des Leidens, doch dieses Wissen, dieser Glaube, er kann uns stark machen auf diesem Weg. Er kann Kraft verleihen, unseren Weg mutig und geduldig weiterzugehen. Hagar, sie ist uns mit diesem Glauben, mit dieser Hoffnung vorangegangen und tut es immer noch, denn ihr Glaubensbekenntnis, es geht wie ein Licht vor uns her, durch jeden Tag des Jahres 2023.
Amen.

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Foto: Lotz